Boursica.com: Herr Ehrmann, wie ist Artprice entstanden?

 

Thierry Ehrmann: Ganz am Anfang steht vor allem eine enorme kollektive Arbeit hervorragender Kunsthistoriker. Innerhalb von 14 Jahren haben wir praktisch das gesamte kunstrelevante Verlagsmaterial in Europa, den USA und seit kurzem auch in Asien erworben. Dieses umfasst Verlagshäuser, Kunstdokumentationen aus aller Welt und Vermögenswerte im Wert von über 30 Mio.€. Wissenswert ist zudem, dass wir mit der von mir gegründeten Serveur-Gruppe – der Muttergesellschaft von Artprice, die sich auf gerichtliche, juristische und wissenschaftliche Datenbanken spezialisiert – seit 1985 im Internet präsent sind. Wir waren daher in der Lage, uns vorzubereiten und unsere wichtigsten Zielobjekte im Zuge unseres Eintritts in den Kunstmarkt in den 1990er-Jahren zu identifizieren

Boursica.com: Welches waren denn diese Zielobjekte?

Thierry Ehrmann:
Wir legten unser Augenmerk auf legendäre Gesellschaften und Werke, wie z.B. den Guide Enrique Mayer (1962/1987), den renommierten Dictionnaire des Ventes d’Art 1700-1900 von Dr. H. Mireur, das führende US-Verlagshaus Sound View Press mit seinen mehr als 50 Datenbanken über die USA (1991), die Editions Franck Van Wilder (1970), die Schweizer Xylogic, ein globales, auf Kunstmarktindizes spezialisiertes Unternehmen (1985), die Datenbank von Bayer zum anglosächsischen Kunstmarkt von 1700 bis 1913, Caplans Enzyklopädie der Signaturen und Monogramme (USA), ein globales Referenzwerk (1976), L’Argus du Livre de Collection et des Manuscrits (France), ein weiteres globales Referenzwerk (1982); usw. und so fort…. Wir haben sie alle aufgekauft. Seit 14 Jahren betreiben wir zudem eine systematische Kaufpolitik, in deren Rahmen wir Manuskripte und
Kataloge, vor allem aus der Zeit zwischen 1700 und 1970, aus aller Welt erwerben. Wir können gar nicht anders als dieses historische Wissen zu kaufen, denn ohne dieses ließe sich der Kunstmarkt nicht mit Sicherheit normieren, und die Werke könnten weder lückenlos zurückverfolgt noch korrekt der Biographie des betreffenden Künstlers zugewiesen werden. Wir sind weit über die Millionen Arbeitsstunden der Historiker, Forscher und Journalisten am Kunstmarkt hinausgegangen, welche die Werke aus diesen Manuskripten und Katalogen von 1700 bis zum heutigen Tag dokumentiert und beschrieben haben. Aus diesem Grund verfügen wir heute über die umfassendste Datenbank zum weltweiten Kunstmarkt. Diese Datenbank ermöglicht die Verfolgung der Kunstwerke im Laufe der Jahrhunderte. Sie umfasst 108 Millionen Bilder und Gravierungen von
Kunstgegenständen des genannten Zeitraums sowie von unseren Kunsthistorikern verfasste Kommentare. Darüber hinaus aktualisiert Artprice ihre Datenbanken in Echtzeit mit Informationen, die wir von rund 4‘500 Auktionshäusern zusammentragen. Zudem veröffentlichen wir laufend Beiträge zu den Trends am Kunstmarkt, die wir den wichtigsten Agenturen und weltweit rund 6‘300 Kunstpublikationen zukommen lassen. Auf diese Weise sind wir mit unserem Copyright und unserer Internetadresse tagtäglich und völlig kostenlos in der Presse rund um den Erdball vertreten. Da bleiben in Bezug auf Bekanntheitsgrad und Kommunikation kaum noch Wünsche offen.

Boursica.com: Wie ging es mit der Entstehungsgeschichte von Artprice weiter?

Thierry Ehrmann:
Wir gingen zu Beginn zu den Ursprüngen des Kunstmarkts um das Jahr 1700 zurück. Erst um diese Zeit wurden die Künstler von Aufträgen der Kirche und des Adels unabhängiger und schufen ihre Werke auf Basis einer weiter gefassten Nachfrage. Die Entstehung eines Kunstmarkts im ökonomischen Sinn lässt sich auf diesen Zeitraum festlegen. Seit 14 Jahren verfügen wir über Experten und Händler, die in der ganzen Welt für uns tätig sind und uns informieren, wenn sie auf Manuskripte und Kataloge stoßen, die wir erwerben können. Wir haben so viele davon gekauft, dass das Angebot mittlerweile ziemlich knapp geworden ist. Zu Beginn bezahlten wir teuer dafür, aber wir etablierten uns zusehends, und die jüngsten Publikationen erwerben wir jedes Jahr zu äußerst vernünftigen Preisen … Dieser Fundus
ist weltweit einzigartig. Wir überprüfen in selbst und machen ihn dann Forschern aus aller Welt zugänglich.

Boursica.com: Worin besteht denn der Mehrwert dieses Dokumentarfundus?

Thierry Ehrmann: Unsere Arbeit in den Datenbanken von Artprice gleicht in erster Linie dem Bergbau: Man muss tagtäglich in die Mine hinabsteigen und schürfen, was wir seit 15 Jahren tun. Mit über hundert Mitarbeitern stießen wir so ins neue Jahrtausend vor. Zurzeit beschäftigen wir noch 45 Mitarbeiter, weil unsere gesamte Arbeit nun in den Datenbanken stattfindet. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir die Anzahl Mitarbeiter um zwei Drittel reduziert und unsere Serverkapazität nahezu verdreißigfacht. Um den Kunstmarkt zu standardisieren, mussten wir zuerst das gesamte bestehende Inventar an Kunstwerken sowie die Biographien Hunderter von Künstlern vom 4. Jahrhundert vor Christus bis zum heutigen Tag aufarbeiten. Dabei stießen wir bisweilen auf Hunderte von Homonymen, denen es die jeweils richtigen Werke zuzuordnen galt.

Boursica.com: Wie erstellen Sie Ihre Referenzpreise im Wissen, dass ein Gemälde seiner Natur nach einzigartig ist?

Thierry Ehrmann: Nehmen wir beispielsweise ein auf das Jahr 1850 datiertes Werk: Wir verfolgen seine Spur von Auktionshaus zu Auktionshaus und haben damit immer die Sicherheit, dass es sich tatsächlich um dasselbe Objekt handelt. Wir kennen somit seinen Preis und seine Rendite Jahr für Jahr. Aus diesem Grund sind wir die weltweit einzige Instanz, die eine ökonometrisch einwandfreie Methode für den Kunstmarkt als Ganzes anbieten kann. In der Ökonometrie wird dies als Repeat-Sales-Methode bezeichnet, weil wir in einem homogenen Markt arbeiten. Andere Informationsanbieter stützen sich auf arithmetische Durchschnittswerte und setzen vergleichende Methoden ein, was aber zu Fehlern führt, weil ihre Studien auf einem heterogenen Markt basieren.

Boursica.com: Wie haben Sie dieses Problem in so kurzer Zeit umgehen können?

Thierry Ehrmann:
Aus ebendiesem Grund wendeten wir 2000 ein kleines Vermögen für die Übernahme des renommierten Schweizer Unternehmens Xylogic auf. Dieses beschäftigte Wissenschaftler, die seit 1985 sämtliche Algorithmen und Indizes zum Kunstmarkt konzipiert hatten. Zehn Jahre später waren wir die einzigen, die über derart gigantische Datenbanken (über 700 Terabytes) verfügen. In unseren eigenen Informatikräumlichkeiten stehen fast 900 Server, die wir als Besitzer über unser eigenes Glasfaseroptiknetz betreiben. Wir sind somit nicht von externen IT-Dienstleistern abhängig, was die extrem hohe Geschwindigkeit unserer Entwicklungen und unserer F&E-Abteilung sowie die geringen IT-Aufwendungen erklärt. Für Artprice entscheidend ist der Umstand, dass es uns gelungen ist, die weltweit größte Sammlung an alten Manuskripten
und erläuternden Katalogen zusammenzutragen. Dieser riesige Dokumentenfundus wurde in unserer Erfolgsrechnung im Übrigen nach äußerst vorsichtigen Prinzipien unter Ausgaben verbucht. Dies ist für unsere Aktionäre eine gute Nachricht, zumal diese Aktiven damit in der Bilanz nicht aufgeführt sind, obschon sie ganz offensichtlich sehr wertvoll sind. Tag für Tag ergänzen wir unsere Datenbanken mit neuen Fakten aus aller Welt. Wir haben Datenbanken aus dem anglosächsischen Raum, aus China und Holland erworben, ohne die wir nicht arbeiten könnten. Selbst wenn wir die besten Kunsthistoriker auf diese Herausforderung ansetzen würden, könnten sie nicht dasselbe Resultat erzielen. Nehmen wir beispielsweise einen holländischen Maler namens Dick Van. Dieses Patronym ist in Holland derart verbreitet, dass wir ohne unsere
Datenbanken nicht gewährleisten könnten, von ein und demselben Künstler und seinen Werken zu sprechen.

Boursica.com: Was antworten Sie jemandem, der Sie fragt, weshalb sich alle bei Artprice informieren?

Thierry Ehrmann:
Dem ist ganz einfach so, weil wir keine wirklichen Konkurrenten haben und die einzigen sind, die über eine Million Biographien auch bisher nicht beschriebener Künstler führen und deren Datenbanken 108 Mio. Bilder und Gravierungen von Kunstobjekten umfassen. Selbst wer Artprice nicht besonders mag, kommt nicht um unsere Datenbanken herum, wenn er sich für einen bisher noch nicht sehr bekannten oder sogar gänzlich unbekannten Künstler interessiert. Dasselbe gilt für die Identifikation eines seltenen Kunstwerks. Die Menschen sehen lediglich die Spitze des Eisbergs Artprice, derweil es sich hauptsächlich um eine enorm aufwändige, nicht immer einfache Arbeit handelt. Ich frage mich manchmal selbst, woher wir die dazu nötige Kraft genommen haben. Nach all den Jahrzehnten lässt sich dies rationell wohl nur mit unserer Leidenschaft
für unsere Arbeit erklären.

Boursica.com: Waren die an der Börse beschafften Mittel, neben dem Kapital der Serveur- und der Bernard-Arnault-Gruppe, für den Erfolg der Akquisitionen von Artprice verantwortlich?

Thierry Ehrmann:
Ja, aber nur teilweise, denn dass Scheckbuch alleine hätte nicht ausgereicht, um den gesamten Fundus zu erwerben. Die vormaligen Besitzer waren bekannte Historiker oder Autoren mit oftmals eher schwierigem Charakter, die bisweilen bereits Schwindel erregende Angebote erhalten und abgelehnt hatten, weil der finanzielle Aspekt für diese Persönlichkeiten bestenfalls nebensächlich war. Wir mussten sie zuerst von unserem Projekt überzeugen, wie z.B. Frank Van Wilder oder Peter Hastings Falk. Diese Datenbanken sind die wahren Vermögenswerte von Artprice, und sie sind in unseren Bilanzen gemäß dem Vorsichtsprinzip nicht mit ihrem wahren Wert verbucht, obschon sie sehr wertvoll sind. Sie stellen zudem auch aus Sicht der Aktionäre die hauptsächlichen Aktiven der kommenden Jahre dar. Die IRFRS-Rechnungslegungsstandards erlauben es uns nicht, den
wahren Wert unserer Gesellschaft anzugeben. Es erstaunt daher nicht, dass unsere Marktkapitalisierung an der Börse der Wahrheit sehr viel näher kommt – der Markt täuscht sich in Bezug auf ein Unternehmen wie Artprice, dass seit mehr als zehn Jahren an der Börse gelistet ist, nur höchst selten.

Boursica.com: Wie halten Sie es mit den Reproduktionsrechten der ins Internet gestellten Werke?

Thierry Ehrmann: Die Reproduktionsrechte der Werke sind im Rahmen unseres spezifischen Vertrags mit der ADAGP abgedeckt. Es handelt sich dabei um das weltweit repräsentativste Unternehmen in diesem Bereich, das in mehr als 43 Ländern Nutzungsgebühren einzieht und an die Inhaber der Nutzungsrechte verteilt. Diese für die digitale Wirtschaft bahnbrechende Vereinbarung (2007) wird von verschiedenen Kulturministerien in Europa, darunter jenem Frankreichs, regelmäßig als beispielhaft zitiert. Auch in dieser Hinsicht hat sich Artprice einen deutlichen Vorsprung im Vergleich zu etwaigen Konkurrenten verschafft.

Boursica.com: Ist es möglich, Artprice zu kopieren?

Thierry Ehrmann:
Nein, unter keinen Umständen. Alles ist urheberrechtlich geschützt. Ich habe unter anderem eine Ausbildung als Jurist im Bereich literarisches und künstlerisches Urheberrecht, und in den 1990er-Jahren gründete ich eine Interessensgruppe für den Schutz von Datenbanken in Europa, der in das « Sui Generis »-Gesetz mündete. Dieses Gesetz in Europa entspricht in etwa den Softwarepatenten in den USA. Vereinfacht gesagt, wäre es jedermann, selbst wenn ihm Kapital in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro zur Verfügung stünde, untersagt, Datenbanken oder einen standardisierten Artprice-Kunstmarktplatz aufzubauen. Er würde wegen Fälschung verurteilt und mit einer Busse belegt, die sich an der Höhe der Investitionen orientiert. Zudem würde er mit einem Verbot der Nutzung seiner Datenbanken belegt. Ein
etwaiger Konkurrent müsste daher nicht nur mit umfassendsten finanziellen Mitteln ausgestattet sein, sondern auch eine Ergonomie und Struktur erfinden, die sich grundsätzlich von jener von Artprice unterscheiden. Wenn wir den Vergleich extrem vereinfachen wollen, könnten wir sagen, dass hier der Umstand, dass ein Auto Räder hat, urheberrechtlich geschützt wurde. Ein Konkurrent müsste folglich ein Fahrzeug auf Schienen oder einer Zahnstange konzipieren, was eine extrem schwierig zu überwindende Eintrittshürde darstellt.

Boursica.com: Wie können Sie gewährleisten, dass die Auktionshäuser auf Artprice zurückgreifen werden?

Thierry Ehrmann: Mehr als 80% der internationalen Auktionshäuser erstellen ihre Kataloge auf Basis unserer Daten in Echtzeit. Sie verfügen dabei über die Biographie des Künstlers und die Rückverfolgbarkeit des Werks sowie sämtliche Preise und Indizes des Künstlers, um den Preis schätzen zu können. Zwischen 2001 und 2003 haben wir mit 3600 Auktionshäusern und 7400 Experten telefoniert oder diese besucht. Diese Marketing- und Umsetzungsstudie war mit hohen Kosten für Reisen rund um den Erdball sowie Löhne verbunden. Die Auktionshäuser selbst hatten keine Datenbanken, und die Auktionatoren verfügten bestenfalls über Word- oder Excel-Dokumente. Von den größten Auktionshäusern verfügen einige selbst heute noch über keine digitalen, in Datenbanken organisierte Angaben.

Boursica.com: Wie ist es möglich, im Jahr 2011 einen derartigen Rückstand bezüglich Informatik und Internet zu haben?

Thierry Ehrmann
: Es ist an sich unglaublich, aber hier scheint sich eine alte Informatikregel zu bewahrheiten: Je mehr ein Berufsstand oder eine soziale Organisation über Macht oder Wissen verfügt, desto mehr wird die Informationstechnologie geschmäht oder ignoriert – bis zu jenem Tag, an dem sie sich gezwungen sehen, den Forderungen ihrer Kunden nachzukommen. Dann kommt Artprice wie gerufen. Unsere professionellen Kunden sind daher höchst loyal und nehmen unsere Dienstleistungen über Jahre in Anspruch, was wiederum unseren Aktionären gelegen kommen dürfte. Wir haben daher ein Intranet konzipiert, über welches ein Auktionshaus seinen Katalog rasch in gedruckter und digitaler Form für das Internet erstellen kann. Es kann gleichzeitig seine künftigen Auktionsangebote mit einem einfachen Mausklick auf den standardisierten Kunstmarktplatz
von Artprice stellen. Nehmen wir beispielsweise einen Verkauf zeitgenössischer Kunst von 63 Künstlern: Das Auktionshaus kann für seine Marktpräsenz einen digitalen Modus wählen, der von unseren 1,3 Mio.Kunden selektiv nur jene anspricht, die diese 63 Künstler verfolgen und nachfragen. Diese Selektivität lässt sich weiter eingrenzen, z.B. auf eine bestimmte Schaffensperiode eines bestimmten Künstlers. Dies ist eine „Killer Application“, von der große wie kleine Auktionshäuser, die ein Vermögen für Werbung und Marketing ausgeben, seit langem träumen. Für eine Auktion der „gehobenen Klasse“ kann sich der Posten Werbung und Marketing für das Auktionshaus auf 70-80% der Ausgaben belaufen, während er mit Artprice lediglich auf 4,5% zu stehen kommt.

Boursica.com: Warum haben Sie das Demeure du Chaos als Firmensitz von Artprice gewählt – Provokation oder Strategie?

Thierry Ehrmann:
Weder noch. Das Universum der Demeure du Chaos („Residenz des Chaos“) ist untrennbar mit der Geschichte von Artprice und der Serveur-Gruppe, die seit 1987 zu den Pionieren des Internets zählt, verbunden. Beide Gesellschaften haben ihren Firmensitz im Demeure du Chaos. Das Demeure du Chaos, von der New York Times als Abode of Chaos bezeichnet, wurde 1999 von mir konzipiert. Das Konzept fußt auf dem alchimistischen Chaos unseres 21. Jahrhunderts, das zugleich tragisch und prunkvoll ist und dessen Glut am 11. September 2001 geschürt wurde. Die Demeure du Chaos ist praktisch gleich alt wie Artprice, die drei Jahre später ins Leben gerufen wurde. Zwölf Jahre sowie 1890 gedruckte und audiovisuelle Reportagen aus 72 Ländern später ist sie laut der internationalen Kunstpresse zu einer „Factory“ und einem angesagten und weltweit
einzigartigen Museum avanciert. Ein Open-Air-Museum mit Gratis-Eintritt, das über 3.627 Werke ins beste Licht rückt und damit jedes Jahr rund 120.000 Besucher anzieht. Jedes Mal, wenn die internationale Kunstpresse über das Demeure du Chaos berichtet, wird selbstverständlich auch Artprice erwähnt. Wie hätte ich Artprice, diese fast schon mythische Gesellschaft, die 90% der internationalen Presse mit Kunstmarktinformationen versorgt, aus dem Nichts aufbauen können, wenn ich nicht selbst mit Fleisch und Blut Plastiker mit einer Leidenschaft für die Kunstgeschichte wäre? Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie viele Menschen mein Museum besuchen. Nach Eintritten sind wir bereits die Nummer 2 in Lyon, und die meisten Besucher sind auch Kunden oder Aktionäre von Artprice. Jedes Jahr führen wir unsere Generalversammlung im Demeure
du Chaos durch, und seit zehn Jahren erhalten wir nur ermutigenden Zuspruch. Unsere Kunden im Allgemeinen und die weltweiten Kunstgalerien im Besonderen arbeiten ganz bewusst mit Artprice zusammen, deren Gründer als Bildhauer und Plastiker seit mehr als 25 Jahren dem Urheberrechtsverband angehört. Schlagen Sie meine Biographie im Who’s Who nach, dann werden Sie verstehen, was ich meine. Ich habe weltweit zahlreiche Werke ausgestellt. Man muss wissen, dass das Kunstmilieu hoch sensibel ist und dass Artprice in den 1990er-Jahren von gewissen Puristen als Fremdkörper angesehen wurde, dem die Sensibilität ihres Milieus fehlt. Als Beleg hierfür wurden unsere Indizes, unsere Preisangaben, unsere Statistiken und natürlich der Umstand, dass wir an der Börse gelistet sind, ins Feld geführt. Dank des Demeure du Chaos sind diese Puristen zu unseren
treusten Kunden geworden. Dies ist die wirkliche Antwort auf Ihre Frage!

Boursica.com: Wie hoch würden Sie den Wert von Artprice ansetzen?

Thierry Ehrmann: Seit fast 120 Jahren gilt gemäß der Vergleichsmethode, dass sich der Wert eines Auktionshauses zu etwa 80% aus seinem Kundenstamm (zwischen 800$ und 4’000$ pro Kunde) und zu rund 20% aus seiner Marke ergibt, wenn diese einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Um den Unterschied zwischen einem mit 800$ und einem auf 4’000$ geschätzten Kunden zu verstehen, beurteilt man die Strukturierung der Informationsschichten zum jeweiligen Endkunden und berechnet den Preis entsprechend.

Boursica.com: Könnten Sie das anhand eines konkreten Beispiels etwas näher erläutern?

Thierry Ehrmann:
Nehmen wir beispielsweise eine Auktion des Bildhauers Arman (1928/2005). Als Niveau 1 (800 Dollar) könnte z.B. gelten, wenn Ihnen das Auktionshaus sagt: Wir haben 4500 Kunden, welche die neuen Realisten wie Yves Klein, César, Arman oder Nikki de Saint-Phalle usw. kaufen. Niveau 2 wäre, wenn Ihnen das Auktionshaus jene Kunden nennen kann, die ausschließlich Skulpturen von Arman erwerben, obschon dieser auch als Maler und Fotograf tätig ist. Das Nonplusultra, das zurzeit nur Artprice anbieten kann, ist das Niveau 3: In der Lage zu sein, jene 4500 Kunden weltweit anzusprechen, die Arman-Skulpturen zum äußerst spezifischen Thema „organische Abfallkübel“ suchen. Derart fein strukturierte Informationen sind für Auktionshäuser und Kunsthändler so etwas wie der Heilige Gral, denn sie geben ihnen die Gewissheit, dass
die Auktionsgebote Maximalwerte erreichen werden. Man darf folglich davon ausgehen, dass das Niveau 3 dem oberen Ende der Bewertungsspanne, also rund 4’000$ pro Kunde, entspricht. Dies ist die älteste Methode zur Bewertung von Auktionshäusern. Der hohe Mehrwert von Artprice besteht darin, für eine Auktion jene internationalen Sammler ansprechen zu können, die durch ihre Präsenz eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Verkaufspreises eines Werks bewirken können. Bei einem katalogisierten Verkauf von Werken eines bekannten Künstlers können neue Sammler vom anderen Ende der Welt den Preis um 100% nach oben schnellen lassen. Artprice ist der einzige Anbieter, der diese begehrten Sammler aus 210 verschiedenen Ländern identifizieren kann. Wir können problemlos bestätigen, dass wir auf Artprice zurzeit sämtliche wichtigen
Kunstmarktakteure erfasst haben: die Großhändler, die großen Sammler, die Gesamtheit der Auktionshäuser und der Experten – kurz: den harten Kern der Marktmacher, welche die Preise nach oben oder unten drücken. Sie sind systematisch Kunden von Artprice.

Boursica.com: Sogar Ihre Kritiker sind auf Artprice?

Thierry Ehrmann:
Selbst unsere härtesten Kritiker bedienen sich unserer Daten. Wir haben 1’300’000 Kunden. Man darf davon ausgehen, dass die Bewertung auf Basis der Nachfrageaktivitäten der Kunden vorgenommen wird. Je mehr Kunden wir haben, die etwas sehr Bestimmtes suchen, desto wichtiger wird die Bewertung für diese Kunden. Wir bieten mit Sicherheit die engsten Suchkriterien an. Je feiner abgestimmt die Suche, desto stärker ist der Kunde geneigt, die Preise während der Auktion nach oben zu drücken, und desto interessanter wird er damit für ein Auktionshaus. Wir haben höchst vollständige Kundendaten mit über 18 Milliarden Einträgen, die den Vorschriften der Commission Nationale Informatique et Libertés (CNIL) und weiterer europäischer und US-amerikanischer Aufsichtsinstanzen entsprechen und es uns erlauben, genau zu wissen,
welcher Kunde welche Kunst besitzt oder welches Werk er sucht. Mit etwas Abstand betrachtet, bin ich heute davon überzeugt, dass es sich hierbei um die beste Methode zur Bewertung eines Auktionshauses handelt, ist sie doch 120 Jahre alt und trotzdem immer noch aktuell und hat sich weltweit tausendfach bewährt.

Boursica.com: Wie hoch werden Ihre Provisionen auf die Transaktionen sein?

Thierry Ehrmann:
Wir sind äußerst konkurrenzfähig, denn die Vermittlungsgebühren liegen gemäß dem Conseil des Ventes Volontaires , der Aufsichtsbehörde des Kunstmarkts, im Bereich von 37,5%, während sich unsere auf zwischen 4,5% und 7,0% belaufen. Damit sind wir für eine Galerie klar vorteilhafter als eine Bank! Wir erheben 4,5% für die Transaktion selbst, zuzüglich 3,0–4,5% für die Platzierung des Kundendossiers gemäß den erläuterten Möglichkeiten. Dies erlaubt es den Auktionshäusern, potenzielle Käufer gezielter anzusprechen. Denn wir bringen ein Auktionshaus nicht nur in Kontakt mit Käufern, die ein Arman-Kunstwerk suchen, sondern gezielt mit jenen, die beispielsweise an seinen „organischen Abfallkübeln“ interessiert sind. Die Gebühren für Verkäufe zwischen Privaten
werden ebenfalls im Bereich von 4,5% liegen.

Boursica.com: Ist Artprice reif für eine Übernahme?

Thierry Ehrmann: Ein feindliches Übernahmeangebot kann ausgeschlossen werden, weil die Serveur-Gruppe das Kapital von Artprice kontrolliert. Eine freundliche Übernahme, die aus Branchensicht sinnvoll ist, z.B. von einem an der Börse gelisteten Auktionshaus, ist aber denkbar. Zu einem besseren Verständnis von Artprice trägt ihr Referenzdokument oder ihr Jahresbericht bei. Diese Berichte sind wahre Goldminen für aufschlussreiche und topaktuelle Informationen.

Boursica.com: Hat Artprice Konkurrenten?

Thierry Ehrmann:
Nein, dies wird auch im Jahresbericht klar festgehalten. Alles und jedes ist urheberrechtlich geschützt. In einer gänzlich anderen Liga gibt es lediglich die Gesellschaft Artnet, die in einem ganzen Börsenjahr dieselben Handelsumsätze verzeichnet, die wir in einer Woche erreichen. Artnet ist nicht im selben Bereich tätig wie wir, und sie ist lediglich an einem nicht reglementierten Markt gelistet, weshalb auch ihre Rechnungslegung nicht geprüft wird. Wir sehen Artnet als eine Art Luxus-Host, der seine Produktionsmittel nicht selbst besitzt. Zudem hat die Gesellschaft in gewissen Ländern die Reproduktionsrechte nicht immer respektiert. Des Weiteren war Arnet nicht wachsam und hat sich ihre Marke von mehr als 18 Deponenten in 21 Ländern – davon in einigen bedeutenden – unter der Nase wegschnappen lassen. Und letztlich sind ihre Tarife
exorbitant, und die monatliche Anzahl der Nachfragen ist beschränkt, wie das in der Internet-Wirtschaft Anfang der 1990er-Jahre noch gang und gäbe war. Wir glauben, dass man eine extrem aggressive Tarifpolitik verfolgen muss, um weltweiter Marktführer zu werden, wie z.B. Dell, die mit ihrem Modell meines Erachtens die PC- und Serverwelt aufgemischt hat.

Boursica.com: Missbraucht Artprice ihre dominierende Stellung?

Thierry Ehrmann:
Nein! Ihre Frage enthält auch gleich die Antwort: Die Wettbewerbsbehörden bestrafen nicht eine dominierende Stellung, sondern deren Missbrauch. Wir haben noch nie einen Verkauf zurückgewiesen, unsere Preise entsprechen der Realität unserer Kosten und Investitionen, und wir haben keinerlei selektive Verkaufspolitik. Vor allem aber sind wir die ursprünglichen Schöpfer sämtlicher Produkte und Dienstleistungen von Artprice, wir pflegen also einen neuartigen und innovativen Ansatz. Gewisse Gesellschaften haben uns einzuklagen versucht, aber sie wurden systematisch abgewiesen. Um den Markt entschieden zu erobern und seine Loyalität zu wahren, sind so niedrige Preise erforderlich, dass ein hypothetischer Konkurrent sofort in die roten Zahlen rutschen würde, weil er nicht schon wie wir sämtliche Investitionen über die letzten 14 Jahre
bezahlt hat. Als Beweis hierfür gilt mir, dass zwischen 2000 und 2010 kein einziger neuer Konkurrent auf den Plan getreten ist. Derweil haben wir aufgehört, die Zahl der Internet-Kunstsites zu zählen, die infolge mangelnder Frequentierung und folglich fehlender Umsätze Konkurs gehen. Jede Woche erhalten wir rund ein Dutzend Anfragen zur Übernahme von Marken, Sites oder Domänen-Namen. Meist sind diese für uns von keinerlei Interesse, vielleicht mit Ausnahme von klar fokussierten Mikro-Datenbanken zu Schwellenländern.

Boursica.com: Waren Sie je versucht, Artnet zu übernehmen?

Thierry Ehrmann: Wir sind dreimal wegen eines Kaufs von Artnet angegangen worden. Wir haben daran aber absolut kein Interesse, zumal das Risiko besteht, dass wir in eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten hineingezogen würden. Was die Marke betrifft, so wurde diese wie gesagt nicht weltweit registriert. Wir befänden uns also sofort in urheberrechtlichen Konflikten mit allen anderen Besitzern der Marke Artnet, die im Recht sind.

Boursica.com: Es scheint, dass auch andere Domänen-Namen Zugriff auf die Datenbanken von Artprice nehmen …

Thierry Ehrmann: Ja, selbstverständlich, wie z.B. Artmarket.com. Wir haben 1800 Domänen-Namen (DNS) in neun verschiedenen Sprachen, die sich mit dem Kunstmarkt befassen. Wenn sie Artmarket googeln, erscheint Artprice dank dem DNS Artmarket.com zuoberst auf der Liste. Wir haben die gesamte Semantik, die für den Zugriff auf den Kunstmarkt relevant ist, zu Beginn der 1990er-Jahre registrieren lassen. Einige dieser DNS sind heute Gold wert, weil es sich um, wie z.B. bei Artmarket, um generische Marken in reinster Form handelt. Indes weigern wir uns, diese zu verkaufen.

Boursica.com: Haben Sie neue Kunden?

Thierry Ehrmann:
Ja, täglich kommen neue hinzu. Wir haben festgestellt, dass das Durchschnittsalter unserer Kundschaft steigt, weil unseres Erachtens immer mehr (ältere) Menschen das Internet entdecken. Wir helfen diesen neuen Nutzern bei der Navigation auf unserer Site und dem Internet im Allgemeinen. Wir verfolgen eine Politik, in deren Rahmen wir aktiv und überall nach neuen Kunden suchen und diese dann auf Artprice begleiten. Wir nennen diese Kundschaft intern „Silver Surfers“. Laut Diktion der großen Marketingunternehmen handelt es sich dabei um die Surfer mit den grauen Schläfen, die früher als Senioren (Menschen im Alter von über 55 Jahren) bezeichnet wurden. Gleichzeitig sehen wir immer mehr junge Sammler im Durchschnittsalter von 30 bis 35 Jahren, was auch den phänomenalen Erfolg unseres Artprice-Smartphone-Abonnements erklärt. Der
weltweite Kunstmarkt ist effektiv von 500’000 Sammlern in der Nachkriegszeit auf heute rund 300 Millionen Kunstliebhaber, Sammler und professionelle Händler an gewachsen. Zu ihren bevorzugten Jagdgründen sind heute im Zuge der Virtualisierung das Internet und damit unser standardisierter Kunstmarktplatz geworden. Es ist offensichtlich, dass der Kontinent Asien die Zahl der Kunstmarktakteure hat explodieren lassen.

Boursica.com: Wie steht es um die finanzielle Verfassung von Artprice?

Thierry Ehrmann
: Im Gegensatz zur großen Mehrheit der börsengelisteten Gesellschaften haben wir keinen Cent Schulden. Keine Kreditdeckung vonseiten einer Bank, keine kurz-, mittel oder langfristige Darlehen, keine rückzahlbaren Finanzinstrumente wie Aktienoptionsscheine oder andere Derivate… Was die französische Finanzaufsichtsbehörde AMF nicht selten staunen lässt! Darüber hinaus verfügen wir über eine hohe Liquidität und eine negatives Nettoumlaufvermögen. Ich möchte festhalten, dass ich mit Leib und Seele gegen Kapitalerhöhungen bin. Diese verwässern nicht nur die Titel unserer Aktionäre, sondern behindern darüber hinaus einen sehr raschen Anstieg des Aktienkurses eines börsengelisteten Unternehmens, was oft vergessen wird. Als Beleg hierfür führe ich ins Feld, dass Artprice ungefähr
4 Millionen Aktien im Umlauf hat. Wären wir wie die Mehrzahl der am regulierten Eurolist-Markt kotierten Gesellschaften, so hätten wir rund 20 bis 40 Millionen Titel ausstehen, und unser Kurs wäre in zwei Monaten um lediglich 2€ oder 3€ gestiegen. Stattdessen haben wir in 45 Börsentagen mit einem Handelsumsatz von rund 250 Mio.€ um 22€ zugelegt.

Boursica.com: Warum wurde angesichts der registrierten Handelsvolumen die Deklarationsschwelle nicht überschritten?

Thierry Ehrmann: Gemäß der letzten Überprüfung unserer Namenstitel und Schätzungen ist unser Aktionariat von 18.000 auf schätzungsweise rund 27.000 Aktionäre angewachsen. 2010 waren 81% der Kunden von Artprice auch Aktionäre. Das ist für uns ein Sicherheitsnetz, da sie damit Artprice detailliert kennen. Oft sind es unsere Kunden bzw. Aktionäre, die uns auf mögliche Übernahmeziele hinweisen oder uns Verbesserungsvorschläge für unsere Datenbanken unterbreiten.

Boursica.com: Wie steht es mit Kapital aus China?

Thierry Ehrmann: Das Konzept einer Meldeschwelle ist den Chinesen fremd. Sie beteiligen sich durch verschiedenste Kanäle und bleiben daher unter dieser Schwelle. Wir haben Telefonkonferenzen mit Fondsmanagern abgehalten, von denen zwei Drittel in Hongkong ansässig sind. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie nicht für französische Kunden kaufen.

Boursica.com: Wie lange wird es Ihres Erachtens noch dauern, bis das Gesetz zur Liberalisierung von Auktionsverkäufen verabschiedet wird?

Thierry Ehrmann:
Das ist höchstens noch eine Frage von Wochen. Ich stelle fest, dass Frankreich in weniger als 45 Jahren vom weltweit 1. auf den 4. Rang abgerutscht ist. Zuoberst auf dem Podium steht heute China, gefolgt von den USA und Großbritannien auf den Rängen 2 und 3. Zudem wiegt auch der Drouot-Skandal schwer. Wir haben jede Woche mit den Konsequenzen dieses Vorfalls zu tun, und die Untersuchungen haben eben erst begonnen. Ich kann Ihnen zu diesem Thema das Werk « Adjugé Volé » von Michel Deléan wärmsten empfehlen. Es wurden bereits 39 Untersuchungsverfahren eingeleitet. Die Regierung scheint entschlossen, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen, zumal Drouot 45% des französischen Kunstmarkts ausmacht. Wir haben die Europäer hinsichtlich der Aufnahme dieser Direktive ins EU-Recht verärgert, weshalb der Druck auf
Frankreich nun enorm ist. Dies ist eine Staatsaffäre, und es besteht ein Risiko, dass der Gerichtshof der Europäischen Union gewaltige Bussen aussprechen wird. Die französische Kunstmarktaufsicht CVV glaubt zudem, dass es für Frankreich einem Selbstmord gleichkäme, lediglich eine Minimalreform durchzuführen, und dass es nach den Verfügungen aus Brüssel nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Angelegenheit vor den EU-Gerichtshof gelangt. Wir waren die ersten, die im Jahr 2000 das entsprechende Gesetz, den Code des Ventes Volontaires et Judiciaires, formulierten, das bei den französischen Auktionatoren mittlerweile zur Referenz avanciert ist. Es ist die erste Abhandlung (von 1800 Seiten), welche die erste Reform des Jahres 2000 und ihre Nicht-Umsetzung anspricht. Diese Reform des Jahres 2000 war eine gigantische Farce, denn die Auktionatoren
hielten an ihrem Monopol aus dem Jahr 1535 fest, sodass für jeden einzelnen Verkauf weiterhin eine Bewilligung eingeholt werden musste. Wenn Letztere erst einige Tage oder sogar erst einige Stunden vor dem Verkauf erteilt wurde, stellte dies eine hohe Hürde für den freien Verkehr von Produkten und Dienstleistungen in Europa dar, insbesondere für Auktionen von Kunstgegenständen im Internet. Wir vereinen sämtliche Erfolgsfaktoren. Der Prozess genießt definitiv breite Unterstützung. Der Gang der Geschichte lässt sich nicht aufhalten, und wir sind mit von der Partie. Wir mussten nur Geduld haben und gleichzeitig dieses 500-jährige Monopol mit aller Kraft niederreißen, indem wir uns auf einen gesetzlichen Kreuzzug von zehnjähriger Dauer begaben.

Boursica.com: Warum haben Sie nicht einfach den Firmensitz verlegt?

Thierry Ehrmann: Weil dies mit hohen Kosten verbunden gewesen wäre. Ganz zu schweigen vom Umstand, dass wir künftig in einer Fremdsprache hätten kommunizieren und uns an einen neuen Börsenmarkt hätten gewöhnen müssen. Dann wäre da zudem der physische Umzug der ganzen Systeme und unserer Mitarbeiter usw.

Boursica.com: Wie sehen Sie die französische Vermögenssteuer (ISF)?

Thierry Ehrmann
: Das ist eine sehr ernste Sache. Die Union pour un Mouvement Populaire (UMP) hat diesen Vorschlag ins Parlament eingebracht. Laut ihrer Analyse sollte eine Vermögenssteuer lediglich latente unbestreitbare Vermögenszuwächse betreffen. Ich bin nicht unbedingt dafür, ich halte dies nicht für die richtige Lösung. Aber die Parlamentarier haben sehr wohl verstanden, dass ihnen Artprice die Möglichkeit gibt, den Sammlern zu sagen, dass die Kunstwerke in ihrem Besitz eine klar bestimmbare Rendite generieren. Indes ist es offensichtlich, dass dies dem Artprice-Marktplatz zum Vorteil gereichen wird, da die Nutzer anonym auftreten, weil Artprice sowohl die Identität des Käufers als auch des Verkäufers schützt. Dies ist in den physischen Auktionssälen nicht möglich. Wir haben am Tag der Ankündigung und in den Stunden
danach festgestellt, dass die Zahl der von unseren Kunden eingerichteten virtuellen Portfolios explodierte, weil diese die Preisentwicklung ihrer Sammlungen simulieren wollten.

Boursica.com: Ist ein baldiger Wechsel in das Long-Only-Segment des Deferred Settlement Service denkbar?

Thierry Ehrmann: Vielleicht im September. Die Entscheidung liegt beim Wissenschaftsausschuss der Euronext, aber es ist klar, dass wir die Eintrittkriterien mehr als erfüllen.

Boursica.com: Haben Sie Ihr System für die künftigen Online-Auktionen einem Backtesting unterzogen?

Thierry Ehrmann: Selbstverständlich. Wir haben im Ausland Beta-Tests durchgeführt, und alles ist betriebsbereit. Die Auktionshäuser sind für ihre Kataloge bereits an unser Intranet angebunden. Was den Marktplatz betrifft, so glaube ich, dass 80% der Auktionshäuser und professionellen Händler sowie 20% der Sammler und Privatpersonen dabei sein werden. Sobald das Gesetz verabschiedet wird, werden die Auktionatoren unsere besten Kunden sein. Sie sagen es sogar selbst: „Das lässt sich nur mit Artprice machen.“ Sie sind Ende der 1990er-Jahre und nochmals 2005 nicht auf den Internet-Zug aufgesprungen, und heute ist es dafür zu spät, zumal dies zu teuer wäre. Die Vorführung ist damit bereits ausverkauft.

Boursica.com: Wie hoch ist die Durchdringung von Artprice im chinesischen Markt?

Thierry Ehrmann: Um den Erfolg zu gewährleisten, haben wir diverse chinesische Datenbanken erworben. Anders wäre dies nicht möglich gewesen. Wir haben dabei die volle diplomatische Unterstützung der chinesischen Behörden genossen. Ohne diese hätte es nicht funktioniert, weil die Auktionshäuser teilweise vom Staat kontrolliert werden. Das chinesische Kulturministerium hat sich bemüht, uns zu zeigen, dass China die Nummer 1 auf dem globalen Kunstmarkt ist. Wir haben in Lyon chinesische Mitarbeiter, und wir benötigten nach unserer Entscheidung, in den chinesischen Markt vorzustoßen, lediglich vier Jahre, um dort betriebsbereit zu sein.

Boursica.com: War Ihr Weg zum weltweiten Marktführer mit Schwierigkeiten verbunden? Die Art und Weise Ihres Vorgehens gibt bisweilen Anlass zu Vorwürfen.

Thierry Ehrmann:
Stimmt, und ich übernehme dafür die 100%ige Verantwortung. Wir haben in 14 Jahren 126 Prozesse in diversen Ländern geführt. Angestrengt wurden diese von den Vertreibern zahlungspflichtiger Bücher, die wir von Verlagshäusern gekauft hatten. Diese Vertreiber wollten sich eine Scheibe von den Internet-Umsätzen abschneiden. Dispute hatten wir zudem mit zahlreichen Artprice-Nachahmern, für die wir keinerlei Toleranz zeigen. Wir haben 117 dieser Prozesse gewonnen, darunter alle wichtigen. Nehmen wir die fünf französischen Auktionshäuser, von denen gewisse effektiv bei Drouot angesiedelt sind: Sie haben alle auf einen Weiterzug des Urteils vor das Appellationsgericht verzichtet. Die Ausnahme war Camard, die wir nun strafrechtlich verfolgen. Die verlorenen Prozesses waren solche gegen Dritte, die keinerlei Einfluss auf den Gang der Dinge
unserer Unternehmens, seine finanzielle Entwicklung oder seine Ziele haben. Christie’s World ist einer unserer schönsten Siege.

Boursica.com: Darf man demnächst auf eine Dividendenausschüttung hoffen?

Thierry Ehrmann:
Ja, gemäß unseren Prognosen sollte dies 2013/2014 möglich sein. Ich finde aber, dass wir unsere Aktionäre bereits mit dem Anstieg unseres Aktienkurses substanziell bereichert haben. Wir stärken vorab unsere Eigenkapitalposition, um die Server und weitere sehr teuere Ausrüstungsgüter finanzieren zu können. Nur so ist es uns möglich, uns weltweit und unter Wahrung einer maximalen Sicherheit weiterzuentwickeln. Ich rufe in Erinnerung, dass wir die einzigen sind, die unsere eigenen Server-Räumlichkeiten betreiben. Wir gelten in Frankreich als Internet-Pioniere. Laut Time Magazine war die Serveur-Gruppe der erste Internet-Provider Frankreichs, und der zweite in ganz Europa. Der Vermögenszuwachs für unsere Aktionäre über den Aktienkurs ist derart hoch, dass zu Beginn nicht beides – Aktienkurssteigerung und Dividende
– zu haben ist. Dies umso mehr, als wir nie eine Kapitalerhöhung durchgeführt haben.

Boursica.com: Wie wird sich der Status-Wechsel nach Einführung des Gesetzes auf den Jahresumsatz auswirken?

Thierry Ehrmann: Er wird wortwörtlich explodieren! Das Wachstum wird enorm sein.

Boursica.com: Darf man dann davon ausgehen, dass ein Aktienkurs von 30€ nur der Anfang war?

Thierry Ehrmann:
Es lässt sich feststellen, dass der Kurs auf die 2005/2006 verzeichneten Niveaus zurückgekommen ist. Damals begann man von der Umsetzung der „Directive Services“ zu reden. 30 EUR ist nur der Anfang, eine einfache Rückkehr zu den Notierungen der Zeit, bevor Frankreich dem Rest Europas während fünf Jahren mit seiner jämmerlichen Art auf die Nerven zu gehen begann. Wer sich die Frage ernsthaft stellt, sollte von einer Basis von 67€ ausgehen – der höchsten bisher erreichten Notierung. Wir haben alle Versprechen in unserem Einführungsprospekt gehalten. Wir sind sogar deutlich über die im Prospekt von 1999 erläuterten Engagements hinausgegangen. Unser Titel notierte bei 67€, als es unseren standardisierten Kunstmarktplatz noch nicht gab. Wir dürfen daher mit Recht und logischerweise einen Anstieg unseres
Aktienkurses deutlich über 67€ hinaus erwarten. Einer sehr alten Börsenregel zufolge ist ein einmal registrierter Kursstand wieder erreichbar.

Boursica.com: Zum Schluss eine Prognose zur Zukunft von Artprice?

Thierry Ehrmann:
Mit Blick auf unsere im Einführungsprospekt von 1999 abgegebenen Versprechen, die damals als höchst ehrgeizig bezeichnet wurden, dürfen wir feststellen, dass wir sie alle erfüllt und sogar übertroffen haben – und dies vor dem Hintergrund der Krise der Nasdaq im Jahr 2000, der Anschläge vom 11. September 2001, des Kriegs im Irak 2003 und der großen Finanzmarktkrise, die 2007 einsetzte, aber noch keineswegs ausgestanden ist. In diesem katastrophalsten Jahrzehnt der letzten zwei Jahrhunderte kenne ich nur wenige an einer regulierten Börse gelistete Unternehmen, die ohne Kapitalerhöhung überlebt und in dieser Zeit den Sprung zum unumstrittenen Weltmarktführer geschafft haben. Ich möchte dieses Interview deshalb mit der Bemerkung abschließen, dass wir meiner Meinung nach bisher bestenfalls 10% der Entwicklung von
Artprice mitverfolgt haben.

Boursica : Seit unserem letzten Interview Anfang Juni ist bei Artprice und auf den Finanzmärkten viel passiert. Wir haben viele Fragen, auf die wir gerne präzise Antworten von Ihnen hätten. Zunächst einmal, warum stieß das Exklusivinterview von Boursica im Juni 2011 über Artprice, das in mehreren Sprachen ins Internet gestellt wurde, mit derzeit über 210.000 Google-Treffern, Ihrer Meinung nach auf so großes Interesse? (Interview von Juni 2011)

Thierry Ehrmann :
Ich denke ganz einfach, dass die französischen Aktionäre von den politisch korrekten Pressemitteilungen, für die man lange studiert haben muss, um die Informationen der an einer regulierten Börse gelisteten Unternehmen entschlüsseln zu können, genervt sind. Lesen Sie noch einmal aufmerksam das erste Interview durch und Sie werden sehen, dass wenn man ganz einfach mit ehrlichen Worten die untypische und außergewöhnliche Geschichte von Artprice erzählt, von seiner Gründung aus dem Nichts, um dann in 14 Jahren zum Weltmarktführer für Informationen über den Kunstmarkt zu werden, zu verstehen ist, dass es sich in erster Linie um ein außergewöhnliches menschliches Abenteuer und ein unvergleichliches Team handelt, ein gewaltiges, nahezu als Utopie angesehenes Projekt, das nunmehr gnadenlose Realität geworden ist,
die tagtäglich von den 1,3 Millionen Artprice-Mitgliedern sowie den Millionen kostenlosen Nutzern genutzt wird, die früher oder später, in einem günstigen Moment die kostenpflichtigen Informationen auf Artprice kaufen werden.

Boursica : Liest man noch einmal das erste Interview, wird man sich dessen gewahr, dass die Geschichte von Artprice auch eine ununterbrochene Folge gerichtlicher Auseinandersetzungen jenseits jeglicher Norm ist, also eine nicht immer nur idyllische Geschichte?

Thierry Ehrmann :
Es ist richtig, dass in der Geschichte von Artprice auf den verschiedenen Kontinenten zahlreiche Kriege vor Gericht ausgetragen wurden. Das Monopol des Kunstmarkts, seines Zeichens der älteste Markt der Welt, erobert man leider nicht ohne Blutvergießen. Aber in diesem Interview wird auch hervorgehoben, dass man einen Konzern nicht einfach auf Basis seiner Jahresabschlüsse, Bilanzen und Anhänge begreifen kann, insbesondere nicht im Jahr 2011, wo immaterielle Vermögenswerte und geistiges Eigentum laut dem berühmten Paul Getty zum Öl des 21. Jahrhunderts werden. In den IFRS-Rechnungslegungsstandards sind zahlreiche menschliche, finanzielle und wissenschaftliche Indikatoren, die von grundlegender Bedeutung sind, um einen Konzern wie die Artprice-Gruppe zu analysieren, noch nicht berücksichtigt.

Boursica : Diese Worte gelten nur für Kleinaktionäre, jedoch sicher nicht für Finanzexperten!

Thierry Ehrmann :
Wenn Sie sich da mal nicht täuschen! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Fondsmanager, Unternehmenskundenberater von Banken und Finanzanalysten mir gestanden haben, dass sie dank des Interviews erst einen echten Gesamteindruck bekommen haben, was ihnen in den 10 Jahren mit unserem Referenzdokument und den vorgeschriebenen Informationen in dieser Vollständigkeit nicht möglich war. Es ist möglich, dass Artprice eines Tages Gegenstand einer Sitzung bei der SFAF, der französischen Gesellschaft der Finanzanalysten, ist.

Boursica : Sind also die an einer regulierten Börse gelisteten Unternehmen Ihrer Meinung nach Opfer leerer Phrasen?

Thierry Ehrmann :
Anders als fälschlicherweise angenommen, kann man mit den vorgeschriebenen Informationen weit mehr aussagen, als man es sich vorstellt. Bestimmte börsennotierte Unternehmen sollten aufhören, auf die AMF und andere Finanzaufsichtsbehörden zu schimpfen. Die herausgebenden Unternehmen sind schlicht und einfach Opfer dessen, was in der Presse als Selbstzensur bezeichnet wird. Wer kann denn heute Aktien auf Grundlage einer vierteljährlichen Veröffentlichung, die jedweder Verbindung zur konkreten Realität entbehrt, kaufen? Ein gutes Beispiel hierfür sind die Pressemitteilungen einiger Banken, insbesondere bezüglich ihrer Stresstests und ihrer Risikoexposition, die, wie man feststellt, heute etwas sagen, um in weniger als drei Monaten das Gegenteil zu behaupten.

Boursica : Was müssen die Führungskräfte also tun?

Thierry Ehrmann :
Es obliegt den Führungskräften, eine integere, ja nahezu „physische“ Beziehung zu den Märkten und Aktionären zu unterhalten. Dies erfordert natürlich Zeit, Ausdauer und einen entsprechenden Umgang mit dem manchmal leidenschaftlichen Feedback, aber so sind die Spielregeln. Jegliche ehrliche, leidenschaftliche und vollständige Berichterstattung führt unweigerlich zu enthemmten Reaktionen seitens der Aktionäre und Fondsmanager, die dem Diktat der sterilen Pressemitteilungen unterliegen und sich, wenn es um Artprice geht, in der Tat manchmal gehen lassen.

Boursica : Kommen wir auf das Gesetz vom 20. Juli 2011 zurück, welches die europäische Dienstleistungsrichtlinie in nationales Recht umsetzt und sich insbesondere auf elektronische Auktionen im Internet bezieht. Wo stehen Sie hier?

Thierry Ehrmann :
Es bedeutet für uns einen gewaltigen Sieg nach elf Jahren gesetzlichen Kreuzzugs, Europäischen Lobbyings und unerbittlichen Krieges gegen eine kleine Anzahl von Mitgliedern einer Kaste, die davon überzeugt war, dieses 1556 entstandene Monopol auch im 21. Jahrhundert aufrecht erhalten zu können. All die Tiefschläge, die wir einstecken mussten, haben uns zwar natürlich Kraft gekostet, uns aber in unserer Überzeugung bestärkt, mit dem standardisierten Artprice-Kunstmarktplatz und den europäischen Gesetzen über die persönlichen Daten entsprechenden Log-Dateien über das Verhalten unserer 1,3 Millionen Mitglieder einen bedeutenden Anteil am Weltkunstmarkt zu halten. Die von Artprice bei der Wettbewerbsbehörde aufgrund von Kartellabsprache angestrengte Klage befindet sich mit für die Gegner überraschenden Belegen in der
Untersuchungsphase. In diesem Fall sind bald entsprechende Reaktionen zu erwarten.

Boursica : Führen Sie diese Hartnäckigkeit einer kleinen Gruppe von Mitgliedern dieser Kaste auf wirtschaftliche Überlegungen oder auf die Angst eines Verlusts der sozialen Stellung zurück?

Thierry Ehrmann :
Eine alte Regel besagt, dass man am Grad der Aggressivität des Gegners in Echtzeit die Entfernung ablesen kann, die man noch zurücklegen muss, um in den Tresorraum vorzudringen, in dem er als Herrscher regiert. So betrachtet haben wir unsere Religion mit 117 gewonnenen von insgesamt 126 Prozessen auf verschiedenen Kontinenten (siehe das erste Interview) ohne den Hauch eines Zweifels aufgebaut, dass wir ganz nahe daran sind, dieses Monopol ganz legal, ohne jedweden Missbrauch marktbeherrschender Stellung innezuhaben. Möchte man die Kriege gegen die alte Garde der Kaste zusammenfassen, so handelt es sich bei dem Roman „Der Leopard“ von Tomasi de Lampedusa um eine perfekte Adaptation dessen, was wir erlebt haben.

Boursica : Dieses Gesetz gilt also seit dem 01. September 2011. Worauf also warten?

Thierry Ehrmann :
In der Tat ist der 1. September der Stichtag für das Inkrafttreten des Gesetzes, aber lesen Sie doch einmal Artikel 5, zu dem ein gemeinsamer Erlass des Justizministeriums und des Ministeriums für Kultur in Bezug auf den Verkehr von Kulturgütern aussteht. Dieser Erlass wird in Kürze ergehen. Es ist darauf hinzuweisen, dass ein Erlass nicht Gegenstand irgendeiner Gesetzgebungsdebatte ist und, wie sein Name schon sagt, nur die Festlegung von Modalitäten ermöglicht. Es besteht also keine Gefahr, dass ein Dritter in welcher Form auch immer diese einseitige Bekanntmachung verzögern könnte.

Boursica : Einige unserer Mitglieder sprachen davon, dass der Figaro ins Auktionsgeschäft einsteigen wolle.

Thierry Ehrmann :
Das ist nichts Neues, ich möchte Sie daran erinnern, dass die Familie Dassault sowohl Eigentümer des Figaro als auch eines der größten französischen Auktionshäuser, Artcurial, ist. Seit Jahren findet sich im Figaro ganzseitige Werbung für Artcurial. Es war also ganz normal, dass der Figaro die Auktionen unter seiner eigenen Marke u.a. in Richtung der Auktionshäuser der Gruppe lenkte, aber der Figaro als Rechtspersönlichkeit ist nicht Betreiber im Sinne des Gesetzes vom 20. Juli 2011. Vergessen Sie nicht, dass Artprice im Rahmen einer Partnerschaft seit mehreren Jahren nahezu sämtliche Daten und Texte für die Sonderausgaben des Figaro Beaux Art – Guide du marché de l’art liefert.

Boursica : Werden die Auktionen auf Artprice dann konkret so ablaufen wie beispielsweise bei eBay?

Thierry Ehrmann :
Absolut nicht! Und zwar aus zahlreichen Gründen: Unseren Untersuchungen zufolge liegen die Gebote im Schnitt bei je etwa 12.000 Euro, was einen grundlegend anderen rechtlichen und geschäftspolitischen Ansatz erforderlich macht. Unser Prinzip beruht insbesondere auf perfekt identifizierten Mitgliedern mit Werken, zu denen die Käufer auf allen unseren Seiten, dank unserer Genehmigung, zu jeder Zeit INTERPOL’s Stolen Works of Art Database nutzen können, was ihnen als Artprice-Kunden die Möglichkeit gibt zu prüfen, ob das angebotene Werk Gegenstand einer gerichtlichen Verfolgung ist. Anders als bei den für die breite Öffentlichkeit bestimmten und allgemeinhin bekannten Auktionsdiensten unterwirft Artprice seine Kunden einer permanenten gerichtlichen Präsenz, die meiner Meinung nach das für ein reibungsloses Funktionieren seines
Standardisierten Kunstmarktplatzes als Betreiber von im Fernverfahren auf elektronischem Wege durchgeführten Online-Auktionen erforderliche Vertrauen schafft. Genauer gesagt arbeitet Artprice seit 5 Jahren mit etwa 70 Polizeibeamten unterschiedlicher Staatsangehörigkeiten zusammen, wodurch es Artprice möglich war, ein Vertrauensniveau aufzubauen, das im Internet seinesgleichen sucht und durch die fortwährende Zusammenarbeit mit den Künstlern, Anspruchsberechtigten und Experten noch verstärkt wird. Unsere wahre Stärke birgt sich in dem Begriff Treuhandkonto und Freigabe, mit dem Artprice alle möglichen rechtlichen Szenarien konzeptualisiert hat, um dafür zu sorgen, dass die Versteigerung einwandfrei ist, und so auf einem im Internet selten erreichten Vertrauensniveau stattfindet. Bei diesem Treuhandverfahren handelt es sich um das gleiche
Prinzip, das auch Notare oder Anwälte bei Transaktionen anwenden.

Boursica : Können Sie den Begriff des Treuhandkontos etwas genauer erläutern?

Thierry Ehrmann :
Ich werde also kurz den Ablauf beschreiben: Wenn der Verkäufer durch eine Reihe von Verfahren den besten Käufer der Auktion validiert, muss der Käufer den Betrag mittels einer von ihm frei wählbaren Zahlungsmethode auf einem Treuhandkonto mit Benutzeridentifizierung und einer einzigen Kontonummer bei einer Bank de facto hinterlegen. Es gibt eine unantastbare Regel: Ein Betrüger zahlt niemals den ersten Euro. Bei uns verfügt der Verkäufer, mit der von einem vertrauenswürdigen Dritten treuhänderisch verwalteten Summe, über eine große Sicherheit. Infolge einer ganzen Reihe äußerst kodifizierter Verfahren validiert der Käufer dann endgültig den Verkauf und erteilt die Freigabe, so dass der Verkäufer den Ertrag seiner Versteigerung und Artprice, seinerseits, seine je nach den für diese Auktion gebotenen
Produkten und Dienstleistungen seine zwischen 4,5% und 9% liegende Provision erhalten kann. Unsere große Stärke besteht darin, dass wir uns auf eine Datenbank stützen, in der jedes unserer 1,3 Millionen Mitglieder unter Einhaltung der europäischen Richtlinien über die persönlichen Daten mit einem Vertrauensindex bewertet ist.

Boursica : Das klingt, als läge die Sicherheit bei Artprice fast über der bei einem traditionellen Auktionshaus.

Thierry Ehrmann :
In der Tat, wenn man sich in der neuen Ökonomie gut auskennt, dann beharre ich darauf zu sagen, dass das Sicherheitsniveau bei unseren Auktionen sowie allen unseren Diensten in Anbetracht unserer IT-Entwicklungen und rechtlichen Verfahren über dem der alten Ökonomie liegt. Wir hatten in nunmehr über 10 Jahren laut der GIE carte bancaire (wirtschaftliche Interessenvereinigung) stets eine der geringsten Raten, was den Kreditkarten-Missbrauch anbelangt.

Boursica : In unserem ersten Interview beschreiben Sie, wie Artprice auf seinem Marktplatz dem Wunsch eines Kunden entsprechen kann, der beispielsweise eine Skulptur von Arman verkaufen möchte: Die „Organischen Abfallkübel“, bei denen Artprice in der Lage ist, aus seinen Milliarden Log-Einträgen die Kunden herauszufiltern, die Arman-Liebhaber und zugleich Anhänger seiner Skulpturen und insbesondere der Periode seiner „Organischen Abfallkübel“ sind, aber sie sprachen seither von neuen Fortschritten, um welche geht es?

Thierry Ehrmann :
Abermals, der Kunstmarkt hat stets einen chronischen Rückstand. Es ist zu bedenken, dass die Zahl der Internetnutzer von 50 Millionen im Jahr 2000 auf 2,5 Milliarden im Jahr 2011 gestiegen ist. Im Jahr 2013 wird die 3 Milliarden-Grenze weit überschritten sein. Genau deshalb gingen bei uns nach Verabschiedung des Gesetzes am 20. Juli 2011 aus aller Welt äußerst ausgefeilte Angebote von auf dem Kunstmarkt tätigen Gruppen sowie von Finanzgruppen ein, die der Meinung sind, dass unser standardisierter Kunstmarktplatz ähnlich wie die von den elektronischen Börsen verdrängte Börse mit ihrem Börsenring kein Kann sondern ein Muss sei. Ich weise Sie noch einmal darauf hin, dass unsere von mir gegründete Muttergesellschaft, die Serveur-Gruppe, seit 1985 im Internet präsent ist.

Boursica : Was bedeutet dies im Klartext? Kunden oder potentielle Konkurrenz für Artprice?

Thierry Ehrmann :
Im ersten Interview habe ich Ihnen deutlich erklärt, dass der standardisierte Kunstmarktplatz von Artprice vielfach urheberrechtlich geschützt ist, und das auf allen Kontinenten. Wir sprechen also in der Tat von Kunden und großen potentiellen Accounts.

Boursica : Was verstehen Sie unter potentiellen Kunden? Wo doch laut Ihren Pressemitteilungen etwa 83% der Auktionshäuser und Experten für Sie arbeiten.

Thierry Ehrmann :
Ganz genau, diese Zahl ist korrekt und unbestritten. Ich spreche in erster Linie von asiatischen, relativ jungen, sehr vermögenden neuen Kunden und Gruppen, die, wie sie sagen, den Kunstmarkt des 21. Jahrhunderts nicht ohne ein geschäftliches bzw. kapitalistisches Bündnis mit dem standardisierten Kunstmarktplatz von Artprice konzeptualisieren können. Sie bringen uns Community-Netzwerke, hunderttausende Käufer bzw. Verkäufer mit, da sie zurecht davon ausgehen, dass der Kunstmarkt, wenn wir die Vermittlungsgebühren, die laut dem Conseil des Ventes Volontaires (Aufsichtsbehörde des Kunstmarkts) bei etwa 37,5% liegen, zum Einsturz bringen, explodieren wird.

Boursica : Wie sieht also ihr Wirtschaftsmodell aus und wo liegt Ihr Vorteil?

Thierry Ehrmann :
Trotz einer marktbeherrschenden Stellung gibt es immer, und zwar vor allem in den asiatischen Ländern wie natürlich China, die weltweite Nummer 1 des Kunstmarkts, aber auch in Singapur, Hongkong etc., auch ganz fein verzweigte Netze, die Sie nicht erfassen können. Unsere Ansprechpartner sind sich des Mehrwerts, den sie uns mitbringen, voll und ganz bewusst und haben, anders als allgemeinhin angenommen, die unüberwindbare Barriere des geistigen Eigentums eingebaut, das ein fürchterliches Zugangshindernis darstellt (vgl. Apple c/ Samsung). Sie haben also mithilfe eines enormen Mitteleinsatzes modelliert, was kein Europäer zustande bringt: eine Kriegsmaschine, die mittels eines Affinitäts-Marketings zu unserem standardisierten Kunstmarktplatz hinzukommt. Der Einfachheit halber richten wir White Labels und/oder Co-Brandings ein. Für sie ist die Sache
schon gegessen und sie sehen sich teilweise schon an der Börse. Das kommt nicht von ungefähr, dass wir geduldig die Eröffnung einer Niederlassung und von Technikräumen in Hongkong vorbereiten, einer Stadt, die als Versuchslabor der Volksrepublik China fungiert und Tür und Tor nach ganz Asien öffnet. Hongkong ist bereits unter den Top 5 auf dem Weltkunstmarkt.

Boursica : Wird Artprice, konkret gefragt, also an Einführungen beteiligt sein?

Thierry Ehrmann :
Man muss begreifen, dass die Krise, die 2007 begonnen hat, in meinen Augen das Anzeichen für einen Niedergang des Okzident und sicher nicht eine x-te Rezession ist. Ich habe keine Zeit zu verlieren. Wenn ich in Europa nach drei Monaten endlich einen Termin mit einem wichtigen Entscheidungsträger habe, setzen wir in Asien zu diesem Zeitpunkt bereits eine Absichtserklärung auf. In dieser Hinsicht wird Artprice ganz klar die ganze Tragweite der zukünftigen Einführungen dieser bedeutenden Akteure für sich nutzen, zumal für einige Renditen vorhergesagt werden, die die des an der NYSE notierten Auktionshauses Sotheby’s noch übertreffen.

Boursica : Wer kann im Hinblick auf die Rendite an Sotheby’s vorbeiziehen?

Thierry Ehrmann :
Ich denke zum Beispiel Poly International Auction, eines der größten chinesischen Auktionshäuser, das wir schon vor einiger Zeit persönlich kennengelernt haben, und das nun dabei ist, seinen Börsengang vorzubereiten ohne sich auch nur eine Sekunde Gedanken über den Einsturz der westlichen Finanzmärkte zu machen. Es gibt im Übrigen eine ganze Reihe von Akteuren, die den soziologischen Mechanismus der Messen zeitgenössischer Kunst und der Biennalen verstanden haben und in dem sozialen Netzwerk Artprice Insider, das wir seit etwa zwei Jahren mit Soziologen, Akteuren des Marktes und seinen Mitgliedern entwickeln, einen revolutionären Weg finden, eine Messe, die von Natur aus vergänglich, aber deshalb nicht weniger notwendig ist, fortbestehen zu lassen.

Boursica : Bedeutet dies also das Ende der Messen zeitgenössischer Kunst?

Thierry Ehrmann :
Absolut gesehen schon, praktisch natürlich nicht, sie werden weiter bestehen bleiben und Höhepunkte der Kunstszene markieren, die dann über das Jahr u.a. auf Artprice Insider fortdauern. Auch hier galt es, den soziologischen und wirtschaftlichen Mechanismus der internationalen Messen geduldig zu demontieren. Um diese Revolution zu verstehen, muss man wissen, dass die Händler und Galerien die i

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Kunstmarkt : exklusivinterview mit Thierry Ehrmann, Gründer und CEO von Artprice

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